Das Institut für Höhere Studien (IHS) hat im Auftrag des Dachverbands der Sozialversicherungsträger (DVSV) die Entwicklung der Einkünfte von niedergelassenen ÄrztInnen in den Jahren 2015 bis 2022 untersucht.
Dabei wurden sowohl Einkünfte aus selbstständiger als auch aus unselbstständiger Arbeit berücksichtigt. Die Analysen schließen an eine, ebenfalls vom IHS durchgeführte, Vorgängerstudie an, die Datensätze aus den Jahren 2012-2015 heranzieht. In der aktuellen Untersuchung wurden Einflussfaktoren wie Kassenverträge (Unterscheidung zwischen VertragsärztInnen und WahlärztInnen), Alter und Geschlecht, Fachgruppenzugehörigkeit, Urbanisierungsgrad aber auch das Vorhandensein einer Hausapotheke als Einflussfaktoren mitberücksichtigt. Bei den in der Studie ausgewiesenen Einkünften der ÄrztInnen sind Ausgaben für Personal (eventuell auch Familienmitglieder), Betriebskosten, Sozialversicherungsbeiträge und EDV-Kosten abgezogen, es sind nur noch Steuern zu entrichten. Es handelt sich damit nicht um Umsätze, sondern um ausgewiesene persönliche Einkommen der ÄrztInnen.
„Es ist wichtig, trotz der vielfältigen Konstellationen ein konkretes Bild von den Einkünfteverhältnissen der Ärztinnen und Ärzte zu haben. In unserer Studie konnten wir mit Echtdaten Analysen durchführen und eine differenzierte Darstellung diverser Einflussfaktoren erreichen“, führt Thomas Czypionka, Studienleiter des IHS aus.
Deutliche Einkommensunterschiede zwischen VertragsärztInnen und WahlärztInnen
Aus der Studie geht hervor, dass es einen Einfluss auf die Höhe der Einkünfte hat, ob Verträge mit Krankenversicherungsträgern bestehen oder nicht. Im direkten Vergleich der ÄrztInnengruppen – VertragsärztInnen mit Verträgen bei allen Kassen und WahlärztInnen – zeigen sich bei den Medianeinkünften deutliche Unterschiede. Im Jahr 2022 verdienten ÄrztInnen mit Verträgen bei allen Kassen im Median mit 201.306 Euro knapp doppelt so viel wie WahlärztInnen.
„Die Einkünfte der ÄrztInnen insgesamt sind in den letzten Jahren sehr deutlich gestiegen. Im direkten Vergleich der unterschiedlichen ÄrztInnengruppen sticht aber vor allem hervor, dass es sich auszahlt, als Vertragsarzt bzw. als Vertragsärztin für die Krankenkassen tätig zu sein. ÄrztInnen mit Verträgen bei allen Kassen hatten im Jahr 2022 mit rund 200.000 Euro im Median ein sehr gutes persönliches Einkommen. Der Kassenvertrag ist damit finanziell sehr attraktiv, in Zukunft soll der teilweise große Unterschied zwischen den Ärzte-Fachgruppen weiter verringert werden“, betont Andreas Huss, Vorsitzender der Konferenz der Sozialversicherungsträger.
Die Medianeinkünfte aller WahlärztInnen – also ausschließlich selbstständig tätige WahlärztInnen sowie selbstständig und gleichzeitig unselbständig tätige WahlärztInnen zusammengefasst – betrugen im Jahr 2022 100.849 Euro.
Quelle: IHS, 2024; Entwicklung der medianen Einkünfte aus selbstständiger- und unselbständiger Arbeit nach Vertragsstatus und Jahr
Fachgruppenzugehörigkeit beeinflusst Einkünfte signifikant
Die Studie zeigt außerdem einen weiteren zentralen Faktor für die Höhe der Einkünfte auf: die Fachgruppenzugehörigkeit. Im Jahr 2022 erzielten zum Beispiel ÄrztInnen in den technischen Fächern Labor und Pathologie die mit weitem Abstand höchsten Einkünfte, gefolgt von ÄrztInnen im Fachbereich Radiologie. Die dritthöchsten Einkünfte verzeichneten MedizinerInnen in der Fachgruppe Innere Medizin. Dahingegen befanden sich ÄrztInnen im Fachgebiet Kinderheilkunde bzw. AllgemeinmedizinerInnen eher am unteren Ende der Einkünfteskala.
Quelle: IHS, 2024; Ärztlich relevante Einkünfte aus selbstständiger und unselbständiger Arbeit der ÄrztInnen mit Verträgen bei allen Kassen nach Fachgruppe, 2022
Entwicklung der Einkünfte nach Geschlecht
Auch geschlechtsspezifische Differenzen bei den Einkünften werden in der Studie untersucht. Eine Differenz zwischen Männern und Frauen ist in allen ÄrztInnengruppen ersichtlich, wenngleich beide Geschlechter einen Anstieg ihrer Einkünfte seit der Vorgängerstudie verzeichneten. Die Einkünfte von Vertragsärztinnen machten 2022 74,7 Prozent der Einkünfte ihrer männlichen Kollegen aus. In absoluten Zahlen verdienten Frauen 2022 im Median 170.906 Euro, ihre männlichen Kollegen 228.711 Euro.
Einflussfaktor Bundesland
Es wurde auch eine Analyse der Einkünfte von VertragsärztInnen im Bundesländervergleich getroffen. Bundeslandspezifische Unterschiede stellten sich dabei als geringfügig heraus.
Einflussfaktor Urbanisierungsgrad und Vorhandensein einer Hausapotheke
Die Studie offenbart deutliche Unterschiede in den Medianeinkünften je nach Urbanisierungsgrad.„Die Analyse zeigt, dass VertragsärztInnen auf dem Land im Median höhere Einkünfte erzielen als in urbanen Gebieten. Dies verdeutlicht, dass ländliche Regionen attraktive finanzielle Perspektiven für MedizinerInnen bieten, auch wenn natürlich das Einkommen keineswegs der einzige Motivationsfaktor ist“, betont Czypionka.
VertragsärztInnen auf dem Land erzielten 2022 im Median 206.902 Euro, in städtischen Gebieten hingegen 190.815 Euro. Die höchsten Werte wurden im intermediären Bereich mit 214.117 Euro verzeichnet. Bei WahlärztInnen zeigte sich ein gegenteiliges Bild: Ihre Medianeinkünfte waren in städtischen Gebieten mit 102.582 Euro höher als am Land (94.341 Euro).
„Die Studie bestätigt, dass es für Vertragsärztinnen finanziell durchaus attraktiv ist, am Land tätig zu sein. Das ist vor allem dahingehend eine wichtige Erkenntnis, als offene Stellen am Land in der öffentlichen Wahrnehmung oft als weniger attraktiv gelten und schwerer besetzt werden können. Probleme bei der Nachbesetzung von Stellen in ländlichen Gebieten hängen also nicht hauptsächlich mit fehlenden finanziellen Anreizen zusammen“, so Huss weiter.
Untersucht wurde auch welchen Einfluss das Vorhandensein einer Hausapotheke auf die Höhe der Einkünfte hat. AllgemeinmedizinerInnen mit Verträgen bei allen Kassen und Hausapotheke verzeichneten 2022 mit einem Median von 263.854 Euro deutlich höhere Einkünfte als jene ohne Hausapotheke, der Median der Einkünfte betrug hier 189.104 Euro.
Methodischer Hinweis
Hervorzuheben ist, dass die in der Studie dargestellten Werte die Einkünfte nach Abzug der Sozialabgaben, aber vor Entrichtung der Einkommenssteuer darstellen. Außerdem ist davon auszugehen, dass die dargestellten Einkünfte tendenziell unterschätzt sind, da Einkünfte im Rahmen von Geschäftstätigkeiten in Kapitalgesellschaften oder Instituten nicht mitberücksichtigt sind. Davon betroffen sind unter anderem Gruppenpraxen, aber auch Institute der technischen Fächer.